Rede Ukraine-Mahnwache - Dr. Dorothee Schlegel

Veröffentlicht am 18.12.2023 in Reden/Artikel

Frieden, das ist ein großer Wunsch von vielen von uns, nicht nur zur Weihnachtszeit. Bei der letzten Mahnwache haben wir uns darüber unterhalten, dass Waffenlieferungen zur Verlängerung von Kriegen dienen. Ich ergänze „könnten“ und ich begründe, warum.

Zum einen „dienen“ und das setze ich in Anführungszeichen, der Abschreckung. Das haben wir nicht nur im Kalten Krieg erfahren, sondern das ist wohl leider eine Menschheits-Erfahrung beginnend bei der ersten Prügelei auf dem Schulhof.

 

Zum anderen geht es bei den derzeitigen Waffenlieferungen und der Aufrüstung auch um Verantwortung. Könnte es sich unsere Regierung, und dabei meine ich nicht nur die aktuelle, leisten, die Bevölkerung durch bedingungslose Friedensliebe jeglichen Angriffen von außen wehrlos auszuliefern?

Ich bin nicht davon überzeugt, dass ein Aggressor sich von der Friedensliebe einer Nation überzeugen lässt, diese nicht anzugreifen. Wir haben gesehen, wie Putin fälschlicherweise gemeint hat, dass die Ukraine zu schwach sei und er sie in wenigen Tagen erobern könne.

Vor einigen Wochen habe ich, als ich über das Friedensgebot des Grundgesetzes geredet habe, auch angeführt, dass sich die Vereinten Nationen nach dem 2. Weltkrieg eine Charta gegeben haben.

In der Präambel dieser Charta heißt es, die Völker der Vereinten Nationen sind „fest entschlossen, künftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren.“

Einige Grundsätze dieser UN-Charta sind:

1.  den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen,

  • um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen,
  • Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und
  • internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen.

2. Um dies zu garantieren, setzt man auf ein kollektives Sicherheitssystem. Dazu gehören Verfahren, die den Frieden sichern sollen. Der UN-Sicherheitsrat hat zum Beispiel die Möglichkeit, freundlich zu ermahnen, Verfahren zur Konflikt-Beilegung zu empfehlen, Sanktionen zu verhängen oder militärische Zwangsmaßnahmen anzudrohen. Allerdings muss sowohl für nicht- militärische als auch für militärische Maßnahmen und Sanktionen zuvor förmlich festgestellt sein, dass eine Bedrohung, ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt.

Ein ganz entscheidender Punkt ist dabei der Friedensbegriff. Er ist nämlich in dieser Charta nicht definiert und das macht Probleme. Und zwar folgende:

Geht es nur um einen Krieg zwischen zwei Ländern, oder auch einen Bürgerkrieg innerhalb eines Landes?

Kann eine Friedensbedrohung auch dann stattgefunden haben, wenn der Zugang zu Rohstoffquellen oder zu Wasser behindert ist?

In der Zwischenzeit gehören dazu auch die Verhinderung von Flüchtlingsströmen, die durch Menschenrechtsverletzungen entstanden sind.

Es kann eine gute Möglichkeit für uns nun sein, uns im Rahmen auch dieser Mahnwache über den Friedensbegriff auszutauschen. Je weiter oder umfänglicher wir Frieden verstehen, der auch im Kleinen hinter unserer Haustüre oder im Verhältnis zu unseren Mitmenschen stattfinden sollte, desto mehr sind wir gefragt, uns für den Frieden einzusetzen.

Ähnlich geht es auch dem UN-Sicherheitsrat. Je umfangreicher er seine Friedensaufgabe sieht, desto mehr kann und muss er tun.

Und wie alles seine zwei Seiten hat, gibt es die Möglichkeit für militärische Zwangsmaßnahmen oder Gewaltanwendungen, die in der Charta nur in folgenden Formen zugelassen ist:

  1. als Instrument des kollektiven UN-Sicherheitssystems durch eigene UN-Streitkräfte, die jedoch freiwillig von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden. Diese würden dann unter einem UN- Generalstabsausschuss eingesetzt werden. Allerdings gab es von einigen Mitgliedstaaten Widerstand, so dass es bislang keine solchen UN-Truppen gibt.
  2. kann der UN-Sicherheitsrat einzelne Staaten oder auch in Bündnissen zusammen geschlossene Staaten zu militärischem Gewalteinsatz ermächtigen.

Daneben gibt es schon seit Jahrzehnten die so genannten UN-Peace- Keeping-Operationen, die voraussetzen, dass die beteiligten Konfliktparteien in die Stationierung und die Tätigkeit einwilligen.

Ein wesentlicher Punkt der UN-Charta ist jedoch, dass der Gewalteinsatz durch Einzelstaaten oder Staatenbündnisse, zu denen auch die NATO zählt, grundsätzlich verboten ist. Sowohl das Völkerrecht, als auch die Verpflichtung zur friedlichen Konflikt- Beilegung sind die zentralen Verhaltensnormen, die die UN-Charta zur Sicherung des Friedens aufstellt.

Vom Gewaltverbot gibt es für Einzelstaaten nach der UN-Charta nur eine Ausnahme, und zwar die des individuellen und des kollektiven Selbstverteidigungsrechts, solange der UN-Sicherheitsrat nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.

Und genau dieses Selbstverteidigungsrecht ist die Achilles-Ferse des Sicherheitssystems der UN.

Auch hier gibt es wieder offene Fragen, wie zum Beispiel:

  • Gilt ein bewaffneter Angriff nur einem Einzelstaat?
  • Inwieweit macht dieser Staat geltend, dass er tatsächlich angegriffen worden ist?
  • Ist unter bewaffneter Gewaltanwendung auch der Gewalt- Einsatz durch private Terrorbanden erfasst?
  • Oder berechtigt das Selbstverteidigungsrecht auch einen Präventiv-Krieg?

Schwachstellen sind auch die folgenden:

Wer stellt fest, ob der UN-Sicherheitsrat die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, die die Selbstverteidigung ausschließen? Und was ist, wenn im UN-Sicherheitsrat eines der Ständigen Mitglieder permanent von seinem Vetorecht Gebrauch macht und so verhindert, dass der UN-Sicherheitsrat handeln kann?

Schlussendlich müssen wir uns auch die Frage stellen, wer den UN- Sicherheitsrat eigentlich kontrolliert?

Es sind große Fragen, die sich mit dem Frieden in der Welt/dem Frieden auf Erden beschäftigen, und für die wir keine endgültigen Antworten haben. Denn die Antworten gestalten Menschen, die ihre Einstellung zum Frieden, zur Macht, zum Machterhalt oder zur Demonstration von Größe nach ihren Vorstellungen in Politik, auch in aggressive Politik, umsetzen.

Es ist gut, dass wir nicht nur ohnmächtig den Weltgeschehen und den kriegerischen Auseinandersetzungen zuschauen müssen, sondern dass wir unsere Möglichkeiten, Frieden zu gestalten, wahrnehmen. Beginnen wir damit, dass heute, dass in der Advents - und Weihnachtszeit zu Hause nicht gestritten wird, dass sich Menschen aus Verzweiflung nicht zu Taten hinreißen lassen, die sie später bereuen oder wir wegen Kleinigkeiten zur strafrechtlichen Anzeige schreiten. Und reden wir miteinander, auch über unser jeweiliges Verständnis von Frieden.

Dr. Dorothee Schlegel

Kreisvorsitzende

SPD Neckar-Odenwald-Kreis

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