Trotz des Gleichberechtigungsartikels im Grundgesetz (Art. 3 GG) vom 23. Mai 1949 galten im Familienrecht noch die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus dem Jahr 1900:
Der Ehemann gab der Frau und den Kindern seinen Namen, er bestimmte den Wohnsitz, er verfügte allein über das Vermögen seiner Frau und über ihre Berufstätigkeit, er konnte jederzeit ihr Arbeitsverhältnis kündigen; er hatte auch die sogenannte väterliche Gewalt, das heißt, er entschied allein über Umgang, Schule und Ausbildung der Kinder. „Stichentscheid“ nannte man dieses väterliche Letztentscheidungsrecht.
Vor 65 Jahren, am 29. Juli 1959, verkündete das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des Stichentscheids. Ein erster Meilenstein für die Entwicklung des Familienrechts in der Bundesrepublik.
Dieses Urteil des Ersten Senats hat damals Erna Scheffler verkündet; sie war die erste und lange Zeit die einzige Richterin am höchsten deutschen Gericht.
Damit aber nicht genug: Das Bundesverfassungsgericht hat die Politik vierzig Jahre lang in Sachen Gleichberechtigung vor sich hergetrieben, um die Verfassungsmäßigkeit des Artikels 3 verwirklicht zu sehen. Inzwischen hat sich das Familienbild grundlegend und großenteils geändert.