Rede 1. Mai Waldbrunn (Markus Dosch und Dr. Dorothee Schlegel)

Veröffentlicht am 01.05.2024 in Reden/Artikel

August Vincent Theodor Spies wurde am 10.12.1855 auf Burg Landeck geboren und besuchte das Polytechnikum in Kassel. Nach dem Tod seines Vater, welcher Förster war, verschlechterte sich eine finanzielle Situation dramatisch, sodass er in die USA auswanderte.

Spies war Herausgeber und Chefredakteur der „Arbeiter-Zeitung“ in Chicago.

„Man kann nicht wie ein Stück Vieh leben“ - Dieser Satz war für die Geschichte prägend, denn genau am 01. Mai - 138 Jahre später - stehen wir deswegen heute hier an der Katzenbuckeltherme.

1866 folgten danach Streiks und weitere Versammlungen. Am 03. Mai erschießen Polizisten mehrere Arbeiter und eine Bombe detonierte in der Menschenmenge. Es wurden viele verletzt und getötet, auch Polizisten. Es war eine blutige Schlacht, vielleicht sogar ein Massaker. Schnell verurteilte man August Spies - nicht weil wegen der Tat, sondern als Anstifter, ebenso weitere sechs Personen, wie George Engel, aus Kasssel stammend, Adolph Fischer aus Bremen und Louis Lingg aus Mannheim.

Das Urteil wurde 1893 vom aus dem Westerwaldkreis stammenden  Gouverneur des US-Staates Illinois John Peter Altgeld annulliert. Dies hilf aber den meisten Verurteilten nicht, da sie wie August Spies bereits sechs Jahre vorher erhängt wurden.

Was blieb ist einer der letzten Sätze von August Spies: „Die Zeit wird kommen, wo unser Schweigen stärker ist, als die Stimmen, die Sie heute erdrosseln.“, ein 8-Stunden-Arbeitstag und die Arbeiterdemos am 01. Mai - bis heute.

Und die Stimmen sind stärker, denn noch heute setzt der DGB sich ein für „mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“.

Und das ist gut so. Vor allem ist deshalb gut so, da der 1. Mai negativ besetzt wurde.

Vielleicht begann es schon mit Bismarck, welcher die Sozialdemokratie für „gemeingefährlich“ hielt.

1919 wollte die SPD den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag machen.

Hitler klaut die Idee und setzt dieses um. 1933, gleich einen Tag danach am 2. Mai verbietet er die Gewerkschaften und am 22. Juni auch die SPD.

Die Gewerkschaften sind aber immer noch da. Die SPD ist immer noch da. Auch Dank Helden mit klarer Haltung wie Otto Wels.

Und das ist gut, denn die meisten Arbeiternehmerrechte sind der SPD und den Gewerkschaften zu verdanken.

Sei es die 40-Stunden-Woche, 5-Tage-Woche, gesetzlicher Mindestanspruch Urlaubstage, Krankengeld, Renten, Sozialversicherungen und vieles mehr.

All das ist vor viele Jahre erkämpft worden. Und wie sieht es heute aus? Braucht es die SPD noch? Ja, die SPD braucht es noch. Und sie hat viel erreicht in der Ampelregierung, denn die Ampelregierung ist besser als ihr Ruf. Dies bestätigt sogar die Bertelsmann-Stiftung.

Beispiele hierfür sind:

Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Bürgergeld

Deutschlandticket

Wohngeldreform - davon profitieren ca. 4,5 Millionen Menschen

Pflegegeldreform - Erhöhung des Pflegegeld und bis zu 10 Arbeitstage Pflegeunterstützungsgeld

Ausbildungsgarantie - für alle bis 25 Jahre

Kindergelderhöhung auf 250 € pro Kind

Rentenerhöhung - um 4,39 % im Westen und 5,86 % im Osten

Es hat sich also viel getan, aber es immer noch Luft nach oben für Verbesserungen.

Wir brauchen Lösungen für den Klimawandel, ein solidarisches Europa, mehr Tarifbindungen, bezahlbare Wohnungen und eine starke Demokratie.

Denn heute wie damals müssen wir uns den rechtspopulistischen und rechtsextremen Kräften entgegenstellen, im Bund, im Land, im Kreis und in der Gemeinde.

Dafür brauchen wir starke Gewerkschaften und eine starke SPD.

Dies zeigt sich sowohl im „Real Life“, als auch auf Social-Media. Beispiele dafür sind Kommentare auf Facebook unter unserem Beitrag der Kandidatinnen und Kandidaten für die Kreistagswahl:

„volksverdummende Aufhetzung des Vokes und Rattenfängerei ist einfach nur noch lächerlich und erbärmlich!“

„Niemals. Aber wählt ruhig diesen Verein. Umso schneller werden wir die neue DDR haben.“

„Ihr seid das Letzte.“

„Geduldete raus und keiner mehr rein.“

Wohlgemerkt es geht um Kommunalpolitik, Verbesserungswünsche vor Ort und ehrenamtliche Engagierte. Diese werden auf Facebook beleidigt, diffamiert und bedroht.

Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen. Ja, es ist unangenehm sich dem zu stellen, aber es ist weder ein Massaker wie 1866 in Chicago, noch sind die Nazis hinter uns her.

Ich bin froh für jeden der sich im echten Leben und auch online dagegen wehrt. Daher danke ich ausdrücklich auch Wilfried und Norbert, die sich den destruktiven Kommentaren stellen oder sich in einer anderen Form auf Facebook beteiligen.

Bitte schließt euch diesem Vorbild an, gerade vor der Kommunalwahl. Helft dabei einander, teilt die Post, widersprecht beleidigenden und destruktiven Kommentaren, geht auf Demos.

Schließt euch den Gewerkschaften an, denn es braucht hier eine gute Zusammenarbeit. Aber es braucht eine starke SPD.

Für ein gutes Straßennetz, Klima- und Umweltschutz, bessere Teilhabe, mehr Tourismus, bessere Bildung, besseren ÖPNV, Stärkung des Ehrenamtes, Stärkung der Jugendhilfe, einer guten und starken Wirtschaft, bessere Pflege, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mehr bezahlbaren Wohnraum.

Denn das ist unser Wahlprogramm im Kreis.

Aber auch für „mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“.

Also: Was will ich damit sagen?

1. Lasst diffamierende Kommentare nicht stehen, auch nicht auf Social-Media. Im Extremfall zeigt diese auch an.

2. Der 1. Mai ist von Anfang an mit der Arbeiterbewegung, den Gewerkschaften und der SPD verbunden.

3. Die SPD und Gewerkschaften müssen zusammenarbeiten.

4. Wir müssen uns solidarisieren.

Wir brauchen mehr SPD und mehr Mitglieder. Wir brauchen stärke Gewerkschaften und natürlich auch überall einen höheren Organisationsgrad, vor allem im Neckar-Odenwald-Kreis.

Aber das muss ich euch nicht sagen, da ich euer Engagement kenne. Ihr schafft es noch eine Kundgebung um 1. Mai zu organisieren.

Und das wissen wir im Kreisvorstand sehr zu schätzen und möchten  uns ganz herzlich bei euch bedanken.

Setzt weiterhin dieses Zeichen und macht weiter so.

Vielen Dank dafür.

Markus Dosch - Co-Kreisvorsitzender

 

Liebe Anwesende, Genossinnen und Genossen und Freunde der Sozialdemokratie,

der 1. Mai ist ein überaus wichtiges Datum, bedeutsamer als wir auf die Schnelle erinnern.

Es ist – so kurz vor den Europawahlen auch deshalb ein bedeutsamer Tag. Denn vor 20 Jahren fand die große EU-Osterweiterung statt.

10 neue Staaten tragen rechtswirksam am 1. Mai 2004 der EU bei, eine über 5 Jahre lang dauernde diplomatische und strategische Meisterleistung, insbesondere die von Günter Verheugen, dem damaligen EU-Erweiterungskommissar mit SPD-Parteibuch.

Und ich war übrigens live dabei. Denn ich war eine Woche lang bei meiner Freundin im Osten von Polen, in Rzeszów. Am 30.4. fuhren wir mit dem Bus auf die noch bestehende Grenze zu – rechts und links der Straße warteten die Menschen mitten in der Nacht auf die Öffnung der Grenze. Nur der Busfahrer hatte es eilig und so wurden ½ Stunde vor Mitternacht alle Passagiere kontrolliert, mit Ausnahme von mir. ½ Stunde später wären wir durchgewunken worden.

10 Jahre später hielt ich zu diesem Ereignis der EU-Osterweiterung übrigens eine Rede im Bundestag. Und auch heute werbe ich für eine starke EU, die mehr Eigengewicht bekommen muss und mehr Selbstständigkeit gegenüber den USA – von er wir zudem nicht wissen, wohin sie abdriften wird.

Zu Beginn der EU stand übrigens auch die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft mit einer gemeinsamen europäischen Armee auf der Agenda.

Wir brauchen auf jeden Fall „MEHR EUROPA“ und das muss uns mehr denn je Vision, Aufgabe und Ziel sein. Zu lange haben wir Europa, den Euro, die offenen Grenzen und ein mehr oder weniger gelingendes Mit- oder Nebeneinander für ausreichend befunden. Dass das nicht mehr reicht, schon lange nicht mehr genügt, begreifen wir leider erst jetzt so richtig.

Es braucht wohl immer erst den sogenannten „Feind“ von außen, um zu merken, dass Europa nur dann stark ist, wenn es zusammenhält und sich nicht in kleinstaatlichem Nationalismus verzettelt oder gar hochjubelt.

Der 1. Mai ist aber auch ein Tag, an dem jedes Jahr aufs Neue lautstark darüber geredet wird, wie wichtig gute Arbeit für unser Land ist. Was ist nun gute Arbeit?

Gute Arbeitsbedingungen, ein gutes Arbeitsklima, gute und gerechte Bezahlung, damit ein selbstbestimmtes Leben möglich ist.

Der 1. Mai ist der Tag, an dem wir an der Seite der Gewerkschaften kämpfen müssen. Denn ohne diesen Kampf gäbe es keine 38 Stundenwoche, keinen 8-Stunden-Tag, keine Lohnerhöhungen, keine Sozialleistungen für Arbeitnehmer*innen, keinen Arbeitsschutz und so vieles andere mehr.

Zusammen mit den Gewerkschaften setzen wir uns ein für

höhere Tarifbindung. Denn gute Arbeit und faire Löhne gibt es nur mit Tarifvertrag! Leider schwindet die Tarifbindung auch deshalb, weil „es“ billiger ist, Firmen zu engagieren, denen gute Bezahlung ihrer Mitarbeitenden nicht so wichtig ist. Dabei sind doch die Mitarbeiter*innen das Kapital eines Unternehmens. Fachkräfte werden händeringend gesucht – in vielen Branchen. Es liegt aber nicht nur am Geld, was gute Arbeit ausmacht. Daher setzen wir auch auf die stetige Erhöhung des Mindestlohns, der leider an einigen Stellen immer noch unterschritten wird.

Wir setzen uns ein für

starke Mitbestimmung. In Zeiten des Wandels brauchen Beschäftigte eine starke Vertretung! Digitalisierung, Klimawandel, globaler Wettbewerb und der demografische Wandel samt Nachwuchsproblemen machen vielen Unternehmen zu schaffen. Und daher braucht es sowohl inner- als auch außerbetrieblich eine starke Mitbestimmung, die auch für eine

bessere Förderung von Fachkräften sorgt. Denn unsere Zukunft liegt in den Händen und Köpfen gut ausgebildeter Menschen!

Und das fängt auch bei unseren Kitas an, geht über die Schulen und mündet über in eine stetige Fort- und Weiterbildung. Daher ist es gut, dass das Bürgergeld ganz stark an den Faktor „Qualifizierung“ geknüpft ist. Und letztendlich kämpfen wir, wie es einst Andrea Nahles und jetzt auch Hubertus Heil in Gesetze gegossen haben, für

sichere und gute Renten. Denn wer sein Leben lang gearbeitet hat, muss von der Rente leben können! Und hier komme ich zur Kreispolitik. Denn ohne auskömmliche Rente benötigen eine zunehmende Zahl an Menschen staatliche Transferleistungen, wie Grundsicherung im Alter, vor allen diejenigen, die lange Jahre weniger als den Mindestlohn verdient haben, die Lücken in der Erwerbsbiografie haben, vor allem Frauen, die darauf gebaut haben, durch ihre Ehe sich versorgt zu wissen.

Neben diesen Kernpunkten kämpfen wir – und hier will ich wirklich den Kampfbegriff nennen, da sich die andere Seite sonst nicht bewegt – für Respekt und Anerkennung für alle, die zum Wohlstand, Gemeinwohl und gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen, sei es durch Arbeit, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen oder ehrenamtliches Engagement.

Wir streben danach, auch die Lohnlücke, die zwischen Männern und Frauen immer noch bei ca. 18% liegt, zu schließen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit in ganz Deutschland zu gewährleisten. Vor allem, je höher die Gehaltsklasse ist, desto größer sind die Unterschiede!

Wir wollen Kindererziehung und Pflegearbeit besser unterstützen durch Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung und Pflegeinfrastruktur. Denn viel zu häufig arbeiten Frauen deshalb weniger, weil sie unbezahlte Sorgearbeit leisten – das nennt sich dann „gender care gap“ oder Verdienstlücke und später Rentenlücke aufgrund von meist unbezahlter Sorgearbeit.

Es ist keinesfalls verwerflich, dass wir für unsere Angehörigen, für Kinder, Pflegebedürftige und Ältere da sind. Aber genau da muss Solidarität ansetzen, die über unsere Sozialversicherung gestaltet wird.  Sie bietet Schutz vor Altersarmut, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Arbeitslosigkeit durch Beitragszahlungen.

Daher setzen wir uns auch für die Stärkung der Sozialversicherung ein und nicht für Leistungskürzungen, wie sie von Konservativen und den Alternativlosen befürwortet werden.

Wenn wir nun 75 Jahre Tarifvertragsgesetz als deutsche Erfolgsgeschichte feiern, dann ist es schon ein Wehrmutstropfen zu hören, dass in der Vergangenheit mehr Beschäftigte unter Tarifverträgen gearbeitet haben als heute.

Wie wir beim Vormai-Empfang des DGB am Samstag deutlich vernommen haben, fördert eine höhere Tarifbindung gerechtere Einkommensverteilung, verbesserte Arbeitsbedingungen und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie den wirtschaftlichen Erfolg. Und - das Streikrecht ist unverzichtbar für faire Verhandlungen, auch wenn wir uns über manchen Bahnstreik ärgern, der eigentlich nicht den Streikenden, sondern deren Arbeitgebern gelten müsste.

Lasst uns daher gemeinsam und solidarisch für mehr Mit- und Füreinander eintreten. Denn ein gutes Zusammenleben ist Fundament für unsere Demokratie. Es geht nicht um Einzelinteressen oder gefühlte Unzufriedenheiten, sondern darum, über den Kirchturm oder Tellerrand von heute hinauszuschauen.

Nur in einer starken Demokratie vor Ort, im Land und in Europa gelingt es, Lösungen zu finden, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Stehen wir zusammen und lassen uns nicht einschüchtern oder entmutigen.

Kürzlich bin ich, und das sei mein Schlusswort, gefragt worden, mit welchem Slogan wir denn antreten, um unsere SPD-Politik ehrlich zu formulieren und nach außen hin deutlich zu machen. Nach einer langen Autofahrt kam ich zu dem Ergebnis: Der Einsatz für Freiheit – Frieden – Solidarität im Kleinen wie im Großen und das „Seit an Seit‘“`- das ist es, wofür wir stehen – am 1. Mai und die kommenden 365 Tage.

Glück auf!

Dr. Dorothee Schlegel - Co-Kreisvorsitzende

Homepage SPD Neckar-Odenwald

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